Betreff
Weiteres Vorgehen bzgl. der Geltendmachung von Schadensersatzforderungen gegen das "LKW-Kartell" der Hersteller MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF
Vorlage
SV/254/2016
Aktenzeichen
771.41
Art
Sitzungvorlage

 

Die EU-Kommission hat gegen die LKW-Hersteller MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF wegen eines Verstoßes gegen EU-Kartellvorschriften am 19.07.2016 eine Geldbuße in Höhe von insgesamt 2,927 Mrd. Euro verhängt. Die Hersteller hatten die Verkaufspreise für LKW untereinander abgesprochen und zudem Mehrkosten im Zusammenhang mit der Einhaltung strengerer Emissionsvorschriften in abgestimmter Form weitergegeben. Das 1997 gegründete Kartell erstreckte sich auf den gesamten europäischen Wirtschaftsraum und hielt 14 Jahre bis 2011. Alle Unternehmen haben ihre Kartellbeteiligung eingeräumt und einem Vergleich zugestimmt. Von dem Beschluss der EU-Kommission betroffen sind insbesondere die Märkte für die Herstellung mittelschwerer (Nutzlast zwischen sechs und 16 Tonnen) und schwerer LKW (Nutzlast über 16 Tonnen).

 

Die aktuell drängendste Frage ist die der Verjährung. Da die einschlägigen Regelungen zur Verjährung von Kartellschadensersatzansprüchen im Kartellzeitraum von 1997 – 2011 mehrfach geändert wurden, ist die Bestimmung der Verjährungsfristen mit rechtlichen Unsicherheiten behaftet. Nach den derzeit geltenden Regelungen verjähren Kartellschadensersatzansprüche gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von Ihrer Entstehung. Gemäß § 33 Abs. 5 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) ist die Verjährung allerdings gehemmt, d.h. sie läuft nicht weiter, wenn ein Verfahren einer Kartellbehörde wegen des Kartellverstoßes eingeleitet wurde. Die Hemmung endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung, § 204 Abs. 2 BGB.

 

Für Ansprüche, deren Entstehung in den Jahren 1997 bis etwa 2000 anzunehmen ist, muss in der Regel von einer Verjährung ausgegangen werden. Da die Entscheidung der Kommission noch nicht abschließend vorliegt, ist nicht bekannt, wann die Kommission die Verfahren eingeleitet hat und welche Auftraggeber von dem Verfahren erfasst werden. Die Verfahrenseinleitung lag aber definitiv vor dem 18.01.2011, da an diesem Tag die ersten Durchsuchungen bei den Kartellanten durchgeführt wurden. Die Hemmung der Verjährung dauert noch bis sechs Monate nach Erlass der rechtskräftigen Entscheidung (19. Juli 2016), also mindestens bis zum 19. Januar 2017.

 

Die Gemeinde Berglen hat in dem genannten Kartellzeitraum folgende Fahrzeuge beschafft:

 

-       2001: LF8/6 – Fahrgestell Mercedes Benz (7,49 Tonnen), Kaufpreis: 162.198,91 €

(Fahrgestell: 32.578,31 €; Aufbau und Beladung: 129.620,60 €)

-       2011: HLF20/16 – Fahrgestell Mercedes Benz (14,5 Tonnen), Kaufpreis: 354.008,69 € (Fahrgestell: 92.762,88 €; Aufbau: 162.796,28 €; Beladung: 98.449,53 €)

-       2011: MAN LKW für den Bauhof (14,1 Tonnen), Kaufpreis: 111.562,50 €

 

Aus dem Beschaffungsvolumen selbst lässt sich noch kein unmittelbarer Rückschluss auf die mögliche Höhe des Schadensersatzes ziehen, da die Höhe des Schadens vom Geschädigten im Einzelnen nachgewiesen werden muss, was letztlich nur durch ein ökonometrisches Gutachten möglich ist.

 

Die Einleitung gerichtlicher Schritte zur Verhinderung der Verjährung ist, zumindest solange die Entscheidung der Kommission noch nicht veröffentlicht ist, sehr schwierig, da nicht sicher ist, gegenüber welchen Unternehmen der betroffenen Unternehmensgruppen man sich auf die Bindungskraft der Kommissionsentscheidung gemäß § 33 Abs. 5 GWB berufen kann. Ebenso ist eine Klagebegründung ohne vorherige Begutachtung des möglichen Schadens regelmäßig nicht möglich.

 

Von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände wird daher empfohlen, die Kartellanten für im Einzelnen genau bezeichnete Kauffälle im Zeitraum von 1997 bis 2011 aufzufordern, eine Verjährungseinredeverzichtserklärung abzugeben. Ein entsprechendes Musterschreiben wurde vom bayrischen Gemeinde- und Städtetag entwickelt.

 

Sollte sich ein Kartellant weigern eine entsprechende Verjährungseinredeverzichtserklärung abzugeben, bliebe der Gemeinde Berglen nur der Klageweg.

 

Die Gefahr der Verjährung besteht aktuell besonders für das LF8/6, das im Jahr 2001 beschafft wurde. Ob sich der Schadensersatzanspruch auf das gesamte Fahrzeug oder lediglich auf das Fahrgestell bezieht, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch fraglich. Die Verjährung für das HLF20/16 und den MAN LKW des Bauhofs tritt erst im Jahr 2021 ein.

 

Für weitere Details wird auf die beigefügten Anlagen verwiesen.

 

 


1 x Kämmerei 


Die Verwaltung wird beauftragt für alle in dem Zeitraum von 1997 bis 2011 beschafften Fahrzeuge, die unter die Kriterien des Kartells fallen, die Hersteller zur Abgabe einer Verjährungseinredeverzichtserklärung aufzufordern.

 

Sollte der Hersteller des Fahrzeugs LF8/6 die Abgabe der Verjährungseinredeverzichtserklärung verweigern, d.h. es droht die Verjährung des Schadensersatzanspruches zum 19. Januar 2017, wird der Klageweg aufgrund der damit verbundenen hohen Kosten (Rechtsvertretung, Erstellung Gutachten, usw.) sowie der bestehenden Rechtsunsicherheit nicht bestritten. Stattdessen behält es sich die Gemeinde Berglen vor, den Hersteller von künftigen Ausschreibungen auszuschließen.