Das Personenbeförderungsgesetz fordert „für
die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 01.01.2022 eine
vollständige Barrierefreiheit zu erreichen.“ Eine vollständige Barrierefreiheit
ist dabei sowohl im Schienen- als auch im Linienbusverkehr herzustellen und
betrifft nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch die Haltestelleninfrastruktur.
Um eine möglichst weitreichende
Barrierefreiheit im ÖPNV zu erreichen, ist es im Busverkehr u.a. erforderlich,
die Haltestelleninfrastruktur im Linienbusverkehr an die Bedürfnisse der
mobilitätseingeschränkten Personengruppen anzupassen. Aus diesem Grund sollen
die jeweiligen Haltepositionen hinsichtlich der Barrierefreiheit bestimmte
Anforderungen erfüllen. Diese umfassen eine Bordsteinhöhe von mindestens 18 cm
(Hochbord), einen stufenlosen, barrierefreien Zugang vom umgebenden Wegenetz
zum Aufstellbereich, die Verfügbarkeit einer ausreichenden Manövrierfläche für
Rollstuhlfahrer und Kinderwagen sowie das Vorhandensein taktiler Bodenelemente
und Leitstreifen.
In den kommenden Jahren soll der
barrierefreie Ausbau der Haltestellen unter Einhaltung der dafür geltenden
Anforderungen weiter vorangetrieben und eine möglichst weitreichende
Barrierefreiheit schrittweise hergestellt werden. In der Gemeinde Berglen
sollen in diesem Zusammenhang als nächstes die Bushaltestellen „Ortsmitte
Oppelsbohm“ und „Steinach Buchenstraße“ barrierefrei ausgebaut werden.
Das Ingenieurbüro Riker+Rebmann aus
Murrhardt hat jeweils Planungsentwürfe erstellt.
Die möglichen Ausbauvarianten wurden von der
Gemeindeverwaltung in Abstimmung mit dem Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart
(VVS), dem Landratsamt Rems-Murr-Kreis und den Beförderungsunternehmen
überprüft. Danach ergibt sich folgende Situation:
1.
Oppelsbohm Ortsmitte:
Die Haltestelle hat die Funktion einer
Rendezvous-Haltestelle, an welcher mindestens stündlich, zum Teil auch
halbstündlich, die drei Buslinien 244, 336 und 337 (alle drei bedienen
unterschiedliche Ortsteile Berglens) zusammentreffen, dort für mehrere Minuten
stehen, um Umstiege der Fahrgäste zwischen den Linien zu ermöglichen und ggf.
dort auch wenden (Linie 244 regelmäßig, Linie 336 bei ausgewählten Fahrten).
Dabei kommen vor allem auf den Linien 244 und 336 regelmäßig Gelenkbusse zum
Einsatz. Zudem bedient die Linie 330 die Haltestelle Oppelsbohm Ortsmitte. Sie
verkehrt dort allerdings außerhalb des Rendezvous und ohne Aufenthaltszeiten
als Durchmesserlinie.
Der VVS befürwortet den barrierefreien Umbau
der Haltestelle „Oppelsbohm Ortsmitte“ grundsätzlich, da somit die Möglichkeit
geschaffen wird, dass in ihrer Mobilität beeinträchtigte Personen den ÖPNV im
Zentrum von Oppelsbohm ohne fremde Hilfe nutzen können.
Aufgrund der Gegebenheiten vor Ort (Lage der
Haltepositionen im Kurvenbereich bzw. in einer Schräge, mangelnde
Flächenverfügbarkeit, keine Alternativen für Wendemanöver, Grundstückszufahrt)
erscheint ein für alle Seiten optimaler Umbau der Haltepositionen jedoch nur
schwer möglich.
Aus diesem Grund sollen nachfolgend die Vor-
und Nachteile zweier Umbau-Varianten erörtert werden. Herr Rebmann vom
Ingenieurbüro Riker+Rebmann wird diese Varianten im Rahmen seines Sachvortrags
in der Sitzung ausführlich vorstellen.
-
Planentwurf der Gemeinde Berglen:
Die von der Verwaltung vorgelegte Planung
hat den Vorteil, dass eine Verbesserung der derzeitigen Situation – mit einem
vergleichsweise geringen Aufwand – erreicht wird. Auch die Verlegung der
Halteposition der Linie 337 erscheint sinnvoll, da somit die ohnehin stark
belastete Wendeplatte entlastet werden würde.
Gegen diese Variante spricht, dass lediglich
2 der 3 notwendigen Positionen umgebaut werden. Ein für alle Fahrgäste
barrierefreier ÖPNV ist dann nicht bzw. nur mit einem erheblichen Aufwand
möglich, da für einen barrierefreien Ein- und Ausstieg ein mehrmaliges Wenden
des Busses notwendig wäre, falls auf der Wendeplatte zwei Busse gleichzeitig
stehen sollten.
Ein weiterer Nachteil ist, dass Schülerinnen
und Schüler für einen Umstieg weiterhin die Straße über den vorhandenen
Fußgängerüberweg queren müssten. Dies ist aus Sicherheitsaspekten –
insbesondere mit Blick auf die umsteigenden GrundschülerInnen – nicht optimal
(durchschnittliche Zahl der Umsteiger ca. 50 Umsteiger / Tag). Die Verbindung
zur Nachbarschaftsschule ist zum Schulbeginn der ersten Stunde (Ankunft NBS
7.43 Uhr) sowie zum Schulende um 11.30 Uhr und 12.35 Uhr und 15.35 Uhr jedoch
durchgehend gewährleistet. Für Schülerinnen und Schüler ist kein Umstieg
notwendig.
Der VVS weist in seiner Beurteilung außerdem
darauf hin, dass eine Beibehaltung der vorhandenen Parkplätze an der
Buswendeplatte zur Behinderung des Busverkehrs führen kann, wenn außerhalb der
dafür vorgesehenen Flächen oder nicht ordnungsgemäß geparkt wird.
Aus der Geometrie der Haltepositionen
können, insbesondere in Richtung Rettersburg zu hohe Spaltmaße an der zweiten
und ggf. dritten Tür des Busses resultieren. Die geschätzten Kosten für diese
Lösung betragen rund 170.000 € inklusive der Baunebenkosten. Die
Landesförderung ist hier noch nicht berücksichtigt.
-
Planentwurf VVS:
Dieser Planentwurf hat den Vorteil, dass
drei barrierefreie Positionen verfügbar wären und somit zu jedem Zeitpunkt ein
barrierefreier Ein- und Ausstieg gewährleistet werden kann. Mit dieser Variante
bestände zudem die Möglichkeit, die Haltestellenanlage Richtung Rettersburg
parallel zum Bordstein anzufahren, wodurch größeren horizontalen Spaltmaßen
entgegengewirkt werden kann. Darüber hinaus können Fahrgäste umsteigen, ohne
die Kreisstraße überqueren zu müssen.
Die Gefahr einer Behinderung des Busverkehrs
durch parkende Autos würde minimiert.
Gegen diese Planung spricht vor allem, dass
der bauliche und finanzielle Aufwand vergleichsweise hoch wäre, da die
Kreisstraße in Richtung Süden (Richtung Rathaus) verschwenkt werden müsste. Der
Kostenunterschied (Variante Gemeindeverwaltung 170.000 €, Varinate VVS 301.000
€) liegt bei 131.000 €.
Von Nachteil ist außerdem, dass ein Ausbau
in dieser Form gleichbedeutend mit einem Entfall der vier Parkplätze sowie der
bestehenden Linde auf der Mittelinsel wäre. Dies ist aus Sicht der Verwaltung
nur schwer vorstellbar, da bereits jetzt ein Mangel an öffentlichen
Stellplätzen in der Ortsmitte besteht. Auch im Hinblick auf die in Kürze
bevorstehende Nachnutzung des ehemaligen Ladengeschäfts (Regionalregal Berglen)
ist dies nicht förderlich. Neben diesen Punkten ist auch zu erwähnen, dass der
mittlere Bussteig mit einer Breite von 2 m ausgeführt werden müsste, damit ein
paralleles Anfahren der Busse möglich ist, was allerdings nicht konform zur
Richtlinie ist. Zudem kann vor diesem Hintergrund auch kein Witterungsschutz
angebracht werden. Des Weiteren wäre bei den Haltestellen 2 und 3 (siehe
Planungsentwurf) die Sicht zum einen bei der Ausfahrt in Richtung Winnenden
sowie den rückwärtigen Verkehr stark eingeschränkt. Weitere Nachteile sind in
der Stellungnahme des VVS aufgeführt. Daraus ist zu entnehmen, dass auch bei
dieser Ausbauvariante zwar für einen Großteil, aber nicht für alle Fahrten ein
barrierefreier Zugang gewährleistet werden kann.
Wie oben bereits erwähnt belaufen sich die
geschätzten Kosten bei dieser Variante auf 301.000 € inklusive der Baunebenkosten.
Auch hier ist die Landesförderung noch nicht berücksichtigt.
2.
Steinach Buchenstraße
Die von der Verwaltung vorgelegte Planung
sieht einen Entfall der bisherigen Halteposition am Schulgelände der
Grundschule Steinach vor, damit die Maßnahmen zur Verbesserung des
Außengeländes der Schule Steinach umgesetzt werden können (siehe Niederschrift
zur Gemeinderatssitzung vom 26.05.2020). Diese wird von folgenden Linien
angefahren:
-
Linie
245 Schorndorf – Hößlinswart – Erlenhof
-
Linie
331 Winnenden – Breuningsweiler – Steinach
- Bretzenacker
-
Linie
336 Winnenden – Birkmannsweiler – Erlenhof – Oppelsbohm
Im Rahmen eines barrierefreien Ausbaus ist
nun die Errichtung zweier barrierefreien Haltestellenanlagen in der Erlenstraße
(Landesstraße 1140, Richtung Hösslinswart) bzw. Silberpappelstraße (Richtung
Erlenhof) vorgesehen.
Zwar sind diese vergleichsweise weit
voneinander entfernt, die Neuordnung der Haltepositionen ist jedoch sinnvoll,
da am derzeitigen Standort regelmäßig Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern
auftreten. Mit einer Verlegung kann ferner die Fahrzeit der dort verkehrenden
Buslinien verkürzt und Emissionen vermieden werden.
Die Errichtung beider Haltestellen wird in
der Stellungnahme des VVS begrüßt. Hinsichtlich des Standorts in der
Silberpappelstraße wurden mögliche Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern
sowie die Durchführung des Abbiegevorgangs von der Gemeindeverwaltung durch
Fahrversuche überprüft und werden deshalb nicht erwartet.
Mit Blick auf die räumliche Erschließung
Steinachs sowie die Verkehrsproblematik in der Silberpappelstraße /
Buchenstraße wäre allerdings eine Verlegung der Haltestelle auf die L 1140
(Erlenstraße) – möglichst unmittelbar gegenüber der Haltestelle der
Gegenrichtung – zu präferieren. Diese ist aufgrund der vorhandenen Zufahrten zu
Privatgrundstücken jedoch nicht umsetzbar.
Die geschätzten Kosten für die beiden
Bushaltestellen in Steinach belaufen sich auf rund 102.000 € inklusive der
Baunebenkosten.
Die Stellungnahme des VVS zu den
Haltestellen in beiden Ortsteilen ist dieser Sitzungsvorlage angehängt. Das
Ingenieurbüro Riker+Rebmann hat auch die Straßenbauverwaltung am 24.06.2021 um
Stellungnahme zu den Planungsentwürfen gebeten, welche aktuell noch nicht
vorliegt.
3.
Förderung
Der barrierefreie Umbau von bereits
bestehenden Bushaltestellen sowie auch der Neubau barrierefreier
Bushaltestellen sind Fördertatbestände nach LGVFG
(Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz). Der Fördersatz beträgt maximal 75%
für Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit.
Die maximal zuwendungsfähigen
Investitionskosten laut dem Ingenieurbüro Riker+Rebmann betragen:
-
Busbucht 75%
Förderung aus 40.000 € netto, also 75% Förderung aus
47.600 € brutto = max. 35.700 €
-
Fahrbahnrand 75%
Förderung aus 25.000 € netto, also 75% Förderung aus
29.750 €
brutto = max. 22.312,50 €
-
Witterungsschutz 75%
Förderung aus 12.000 € netto, also 75% Förderung aus
14.280 €
brutto = max. 10.710 €
Förderfähig sind nur Vorhaben, die über der
Bagatellgrenze von 100.000 € brutto liegen. Es können mehrere Maßnahmen des
barrierefreien Um- oder Neubaus von Bushaltestellen zu einem Maßnahmenbündel
zusammengefasst werden, damit die Bagatellgrenze überschritten ist. Des
Weiteren kann eine Zuwendungspauschale für Planungskosten gewährt werden. Diese
Pauschale beträgt 10% von den zuwendungsfähigen Investitionskosten. Bei
Anträgen, die bis zum 31.12.2021 gestellt werden, wird eine Pauschale in Höhe
von 15% der zuwendungsfähigen Investitionskosten gewährt.
In der Anlage befindet sich eine Übersicht
zu den Baukosten bzw. Fördersätzen.
Das Förderverfahren wurde bereits
eingeleitet. Auf Antrag der Gemeindeverwaltung wurden die geplanten Maßnahmen
zum Um-/Neubau von Bushaltestellen in das Landesprogramm 2020-2024 aufgenommen.
Darin sind 22 Haltepunkte für einen barrierefreien Ausbau vorgesehen. Es
besteht nun die Möglichkeit, bis Ende 2024 einen Antrag auf Gewährung einer
Zuwendung zu stellen. Ein Baubeginn vor Erlass eines Zuwendungsbescheids ist
förderschädlich.
Nach der Gemeinderatssitzung am 28.09.2021 wird vom Hauptamt der Förderantrag gestellt. Sobald die Zusage seitens des Landes vorliegt, sollen die Maßnahmen ausgeschrieben werden.
1 x Hauptamt
1 x Bauamt
1.
Der
Bau- und Umweltausschuss nimmt Kenntnis von der vorgestellten Planung der
barrierefreien Bushaltestellen in Steinach und empfiehlt dem Gemeinderat deren
Umsetzung im Jahr 2022 nach Vorliegen des Zuwendungsbescheids. Sollte dieser
negativ ausfallen, ist eine Umsetzung dennoch in 2022 vorgesehen.
2.
Der
Bau- und Umweltausschuss nimmt Kenntnis von den vorgestellten Planungen in
Oppelsbohm und unterbreitet dem Gemeinderat eine Empfehlung, welche der
beschriebenen Maßnahmen in Oppelsbohm im Jahr 2022 nach Vorliegen des
Zuwendungsbescheids umgesetzt werden sollte. Sollte dieser negativ ausfallen,
ist eine Umsetzung dennoch in 2022 vorgesehen.
3.
Der
Bau- und Umweltschuss empfiehlt dem Gemeinderat, den Baubeschluss für die
gewählte Variante in Oppelsbohm sowie für den geplanten barrierefreien
Bushaltestellenausbau in Steinach zu fassen, die Finanzierung im Haushaltsjahr
2022 vorzusehen, die Durchführung der Ausschreibung sowie den Abschluss eines
entsprechenden Honorarvertrags mit dem Ingenieurbüro Riker+Rebmann zu
beschließen. Ferner wird empfohlen, den Vorsitzenden mit dem Abschluss einer
Vereinbarung mit dem Landkreis zu ermächtigen.
Haushaltsrechtliche
Auswirkungen:
einmalig: 156.400
€ bzw. 197.900 € in 2022
Ausgaben:
einmalig: in 2022
entweder 271.000 € oder 403.000 €
·
davon Sachkosten: entweder 271.000 € oder 403.000 €
ein entsprechender Haushaltsansatz steht zur Verfügung
unter
Produktsachkonto:
54100000 – 78720000/001: 165.000 €
54100000 – 78720000/013: 90.000 €